Schoen wie ein Opal im MondLicht

Zurück

 

Schön wie ein Opal

 

 

 

 

 

 

 

                          Immer wieder trieb es Lara hinaus in die dunklen, nur spärlich beleuchteten Straßen der Riesenstadt. Wie eine streunende Katze durchstöberte sie jeden Gott verlassenen Winkel. Eines Tages befand sie sich in einer Gegend, in die sie sich nicht einmal am Tage gewagt hätte. Finstere, ärmlich gekleidete Gestalten huschten, die Köpfe in verschlissene Mantelkrägen verborgen, sich scheu an halb verfallene Häuserwände drängend, deren Putz unaufhörlich abbröckelte wie alter Schorf, wie flüchtige Schatten vorüber. Keiner nahm die Anwesenheit des anderen wahr. Es schien, als käme jeder von einem anderen Planeten. Sie war allein. Sie fröstelte und zog ihren schwarzen Mantel enger um ihren schlanken Körper.
Unerwartet erschien der Vollmond. Verwirrt stand sie in seinem gelben Licht. Schatten wurden Gedanken. Gedanken Realität. Und die alten Bäume, knorrig und krumm, am Ende der kotigen Straße, begannen zu leben. Sie hoben langsam, wie greise Männer, ihre dünnen Armäste. Kamen näher und näher und blieben stehen, als sie sie fast erreicht hatten, gekrümmt, in versunkener Einsamkeit, mit in den Himmel gereckten Armen. Frost klirrte durch die kahlen Zweige, leise und zärtlich, anschwellend dann, lauter und lauter. Dann Stille. Plötzlich Stille. Gespenstische Stille. Die alten Baummänner waren verschwunden, sie standen wieder am Ende der kotigen Straße. 

Ganz langsam erwachte Lara aus ihrer Erstarrung und lief weiter. Vor einem alten, grauen Gebäude blieb sie stehen. Das rote Tor stand offen. Am linken Türflügel klebte ein blaues Plakat. Luzifer stand darauf in grellgelber Farbe. Etwas Unerklärliches wies ihr den Weg. Vielleicht das Licht des Mondes. Das wie ein Schatten vor ihr her lief. 
Über einen dunklen Hof, unregelmäßig gepflastert mit alten Kopfsteinen, gelangte sie in einen Keller. Vor langer Zeit musste dieser Keller ein Weinkeller gewesen sein. Längliche Räume und Räumchen wechselten einander ab. Dämmerlicht verbreitete anheimelnde Nähe. Längs der Steinwände saßen an langen Holztischen erlebnishungrige, junge Menschen.

Gebannt schlenderte sie weiter, schlängelte sich durch die vielen Menschen und stand endlich vor einer kleinen, schwarzen Bühne. Ein junger Mann hielt die Geige zärtlich an sein Kinn gedrückt und spielte weltvergessen. Wie ein Magier stand er da. Angetan mit einem Gewand, das in allen Farben schimmerte und glänzte, strich er wie ein Gott die Geige. Oder wie der Teufel selbst. Luzifer. Ja, Luzifer kam Lara der erleuchtende Gedanke.  
Ein irres Glücksgefühl erfasste ihren ganzen Körper und Tränen der Rührung liefen ihr übers Gesicht. Sie war nicht fähig, sich zu bewegen. Vor ihr stand Luzifer. Idiotisch himmelte sie ihn an. Sie kannten sich. Seit Ewigkeiten. Ein Gedicht fiel ihr ein. Lilith und Luzifer. Aus den Offenbarungen der dunklen Mutter.

 

   Oh Ritter mit Seraphenschwingen

Schwarzgewandet wie der Himmel den du mir schenktest

Dein Herz ist wie der Stern nach dem du heißt

Deine Augen sind wie Wellen im Lichte

Des Sonnenuntergangs

Ruf mich aus der Finsternis

Vergieß dein Blut um meinen Durst zu stillen und

Nimm meines

Als Gabe für deinen Hunger.

Ahi hay Lucifii

Jage uns in die ungestalten Lande und lass uns

Lachend fallen

In den Abgrund Gottes

Wo wir uns einen eigenen Garten anlegen können

Und ihn bevölkern mit Gottheiten

Dornen und Ranken und Stechpalmen

Oh Engel der Dämmerung

Lass ihn uns wässern mit Silber

Und von seiner Fülle trinken

Wenn die Früchte meiner Liebe zu dir Blüten treiben

Seltsame wilde Blüten

Oh Luzifer Schweigsamer du

Lass deine Klinge in den Sand fallen und versinken

Wie einen Knochen hingeworfen der Eitelkeit

Des Einen droben

Umschließe mich mit deinen Schwingen

Finde Frieden

Ahi hay Lucifii

Finde Frieden 

 Misstönendes Beifallklatschen riss Lara aus der Verzauberung.

Luzifer verbeugte sich nach allen Seiten in einer lässigen stolzen Art. Sie konnte die Augen nicht von ihm wenden. Er kommt auf sie zu. Tupft ihr mit einem Seidentüchlein die Tränen vom Gesicht. Nimmt zärtlich ihre Hände. Führt sie zur Bar. Das ist ein Märchen. Ein Traum. Er soll nie vergehen.

"Warte hier auf mich", sagte Luzifer da mit irdischer Stimme. "Bin gleich zurück."

Der Keller war wieder erfüllt vom Stimmengewirr unzähliger Menschen. Den Ausdünstungen verschwitzter Körper. Dem schalen Geruch verbrauchten Zigarettenatems. Der animalischen Trunkenheit einer modernen Disco.  

Natürlich landeten sie in Laras Bett. Luzifer war kein Mann, der große Umstände macht. Er war ein Macho. Ihm lagen die Frauen zu Füßen. Auch sie war ihm vom ersten Moment an verfallen. Auf dem Weg zu ihrer Wohnung hatte er einige Flaschen Wein gekauft und einen großen Strauß bunter Rosen. Vielleicht wollte er sie damit kaufen. Brauchte er nicht. Sie wäre ihm auch so zu Willen gewesen. So muss Liebe sein, dachte sie, was sonst bedeutet dieses Gefühl, das mit nichts zu vergleichen ist.  Das man nicht beschreiben kann. Das man gefühlt haben muss. Gefühlt. Dieses Gefühl, das einem Flügel wachsen lässt.  Erheben in die Lüfte. Vor Glück. 

Lara zündete alle Kerzen an und stellte die Rosen in ein hohes Glas. Luzifer entkorkte die Flaschen und goss den roten Wein in die Gläser. Dann zauberte er ein kleines Päckchen aus seinem Ärmel und schüttete vorsichtig das weiße Pulver hinein. Sie prosteten sich zu und nach einigen Gläschen war sie so beschwipst, dass sie nur noch lachen konnte. So frei und lustig hatte sie sich lange nicht mehr gefühlt. Es war, als sei alle Schwermut, aller Kummer und alle Unbill des Lebens von ihr abgefallen wie eine lästige Hülle. Luzifer hat sie erlöst. Er ist der Zauberer aus dem Märchenland. Er hat aus der Eisprinzessin eine Sonnenprinzessin gezaubert. Eine Sonnenprinzessin mit einem warmen, fröhlichen Herzen. Und er trägt die Sonnenprinzessin auf das jungfräuliche Bett. Er ist der erste Mann, der sich darin austoben darf. Und er tut es gekonnt und mit Hingabe.  

"Du bist schön, wie ein Opal im Mondlicht", sagte Luzifer und hielt plötzlich einen Schleier aus rotem Tüll in seinen Händen. "Ich hülle dich damit ein. Du, Göttin der Lust. Göttin der Hölle."

Luzifer kann in jeder Gestalt sichtbar werden. Sich jeder Situation anpassen. Das abgründig Böse ist in ihm konzentriert. Im Todfeind des Wahren und Reinen. Er ist der Herrscher der Finsternis. Drohend und schrecklich. Und wunderbar faszinierend.

Lara erschauerte beim Anblick ihres Luzifer. Er würde ihr unvorstellbare Lust bereiten, sie in die sexuellen Abgrünnde der Hölle entführen, sie erleben lassen, wozu nie ein Irdischer fähig  sein könnte.

"Ja", hauchte sie. "Ich gehöre dir."

Ihr Luzifer war kein schöner Mann. Klein und schmächtig war er und nicht mehr ganz jung. Doch er hatte zärtliche Hände, eine Haut wie Seide, wunderschöne braune Augen. Und seine langen, schwarzen Haare umhüllten sie gleich einem wärmenden Mantel. Keinen Augenblick fühlte sie sich nackt und bloß. Seine Küsse waren leidenschaftlich, zärtlich, ließen ihren Körper erblühen wie eine Knospe im Frühling.

"Wo sind deine Strümpfe?"

Luzifer unterbrach abrupt sein erregendes Liebesspiel.

Irritiert zeigte Lara auf das unterste Wäschefach. Luzifer entnahm ihm einige Strümpfe und breitete sie andächtig vor ihr aus. 

"Das wird die schärfste Nacht deines Lebens", raunte er und drückte seine Hand fest auf ihre Scham.   

Natürlich hatte sie Angst. Doch Verlangen und Neugier waren stärker. Sie wollte es erleben. Sie musste. Alles in ihr drängte danach. Es würde unbeschreiblich sein. Dieses Unerhörte. Die Vereinigung mit Luzifer. Dem Teufel. Gott hat sie verlassen. Verstoßen auf die unwirtliche Erde. Doch Luzifer begehrte sie. Er. Gottes schöner Sohn. Und unerbittlichster Widersacher. Einst war er der Liebling des Allmächtigen. Er war der Schönste der Engel und begabter, als sie alle. Doch diese guten Gaben standen im Schatten seiner bösen, anmaßenden Natur. Er erhob sich gegen den Allmächtigen und wollte ihm ebenbürtig sein. Und so ließ er seinen Günstling fallen. Ja, sie wollte ihr Spiel spielen.

Luzifer zwängte einen Strumpf zwischen Laras Zähne. Verknotete ihn an ihrem Hinterkopf, fesselte ihre Hände und Beine an das Bettgestänge. Den Schleier aus rotem Tüll warf er lässig über ihren sich wollüstig aufbäumenden Körper. Und was nun geschah, war Himmel und Hölle zugleich. Wie Erwählte gelangten sie ins heilige Reich des sexuellen Festes, schien es Lara.

Langsam, fast zärtlich drang Luzifer in sie ein. Und alle Engel und alle Teufel wiegten sich im Rhythmus ihrer Musik. Doch plötzlich erstarrte ihr Körper. Mit einem einzigen tiefen Stoß hatte Luzifers ihren Schoß zum Glühen gebracht. Sein Gesicht war zu einer Maske grausamer Perversion mutiert. Mit zusammengeschlitzten, schwarzen Augen blickte er auf sie herab. Aus seinen Händen war alle Zärtlichkeit gewichen. Des Teufels Hände kennen keine Zärtlichkeit. Wie Schwerter spürte sie sie an ihren Brüsten. In ihrem Leib. Und jedes Mal, wenn sich ihr gefesselter Körper aufbäumte in wildem Lustschmerz, lachte er sein lautes Satanslachen.

Entsetzt und doch wollüstig spürte Lara Messer schmerzende Kreuze in ihren Leib ritzen, heißes Wachs auf sie herab tropfen, Luzifers gespaltene Zunge. Dann Schwefelatem über ihrem Gesicht.

Sie hatte sich mit dem Teufel vereinigt. In Lust und in Qual. Gruselschauer jagten in Wellen durch ihren Körper. Zerrissen Seele und Leib. Vergeblich versuchte sie, sich aus der verstrickten Gefangenschaft zu befreien, wünschte, wie die heilige Katharina von Siena, Christus hinge auf ihr wie am Kreuze. Gerne spürte sie die Dornenkrone. Das Blut von seinen mit rostigen Nägeln durchbohrten Händen würde sie trinken, seine Wunden lecken, damit er reinwasche ihr sündiges Blut. Vergebe ihre Schuld, denn über ihr lag der Teufel. Das große Tier. 666!
Lustvoll weidete es sich an ihrer Verzweiflung, ergötzte sich an ihrem geschändeten Leib. Und ihre Schreie, verzweifelt und stumm, stachelten sein Begehren an. Mehr und mehr. Wieder und wieder. Und es verbrannte in ihr gleich Höllenfeuer.

"Oh, süße Qual, Lust fleischlichen Genusses", murmelte sie, "decke nicht deinen schwarzen Mantel über meine reine Seele."

Sie war bereit. Sie opferte sich. Sie, das verstoßene Menschenkind.

Als Lara erwachte, lag sie allein in ihrem Bett. Die Strümpfe waren verschwunden. Luzifer war verschwunden. Die leeren Weinflaschen lagen auf dem Boden. Die Rosen leuchteten im Glas. Und die Kerzen waren verloschen. Wochenlang irrte sie durch die verwahrlosten Straßen der Stadt, suchte das alte, schorfige Haus mit dem roten Tor. Sie suchte den Weinkeller und sie suchte die Band Luzifer. Doch nirgends erblickte sie eine Spur von all dem. Luzifer war und blieb verschwunden. Und auch seinen richtigen Namen hat sie nie erfahren.

  

 

 

 

 

 

 



Datenschutzerklärung
Eigene Webseite von Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!